Vera in Behandlung II
„Was die Verhältnisse in einer Massengesellschaft für alle Beteiligten so schwer erträglich macht, liegt nicht eigentlich, jedenfalls nicht primär, in der Massenhaftigkeit selbst; es handelt sich vielmehr darum, dass in ihr die Welt die Kraft verloren hat, zu versammeln, das heißt, zu trennen und zu verbinden.“ (Hannah Arendt) [1]
Auch ich, die ich Teil dieses Massendiskurses bin, habe nicht die Kraft zu trennen und zu verbinden. Ich selbst bin in Behandlung: Vera in Behandlung. Ich bin Teil des Fischschwarms: Vera im Fischschwarm. Mittendrin. Auf die Frage, wie ich mich also selbst in den vielzähligen Gemeinschaften sehe, weiß ich nicht wirklich eine Antwort. Denn in dem Versuch bewusst durch Behandlungsräume zu schreiten, in dem Bemühen mich willentlich der Kollektivbildung zu entziehen, in dem Bestreben jeglicher Ansteckungsgefahr zu trotzen, werde ich automatisch zu einem Teil derjenigen, die all das auch versuchen. Vielleicht bin ich jetzt Mitglied der „Wir“-Kritiker. Zumindest aber gehöre ich zur Gemeinschaft der Blogger, die für Diskurse wie diesen Aufmerksamkeit wecken und Bewusstsein schaffen wollen. Hinzu kommt, dass ich erst im Nachhinein feststelle, ob und – in Ansätzen – wie eine Zuschreibung von außen auf mich wirkt respektive gewirkt hat.
Ich kann mich nicht abtrennen, um objektive Schlussfolgerungen zu liefern und ich kann mich auch nicht mit Gliedern anderer Ketten verbinden, um tatsächliche Sinnzusammenhänge zu untersuchen. Meine Gedanken, meine Themen, mein Schreiben sind zumindest in Teilen durchdrungen von Wert- und Vorurteilen.
Ich habe Angst, dass wir alle irgendwann „massig“ sind – breiig, eintönig und knetbar. Dass die Vermassung der Welt entwurzelt und alle gleich und verlassen macht. Dann ist die Welt nur noch Teig-braun.
Zuversicht hingegen empfinde ich, wenn ich an meine unaufhörliche Fragerei in den letzten Wochen denke. Im „Fragen stellen“ sehe ich zumindest einen Lösungsansatz. Denn indem wir uns unseres Verstandes bedienen, indem wir uns intuitiv von unserer Neugier packen lassen, zeigen wir meiner Meinung nach Mut zum freien Denken. Unser Denken wird dabei zu einem kritisch-reflexiven Akt. Es geht, wie Hannah Arendt einst ihr Buch betitelte, um „Denken ohne Geländer“. Solange wir Menschen aber als funktionierende Glieder oder Instrumente eines Überorganismus – wie den der Masse – unhinterfragt und bedenkenlos handeln, kann sich die Vernunft selbst nicht durchsichtig werden.
An dieser Stelle also noch einmal mein Apell: Mut zum freien Denken!
Beim Denken ein Geländer hier und eine Schranke dort zu passieren und neue Denkwege einzuschlagen – auch wenn diese durch Denktraditionen und Gestrüpp erschwert scheinen – ist meines Erachtens wahnsinnig aufregend. Und mit ein wenig Übung und Überzeugung gelingt es uns vielleicht tatsächlich die einen oder anderen Wert- und Vorurteile zu vergessen, die uns am Denken hindern.
Und letztmöglich sind wir bunte, individuelle Fische in einem noch farbenreicheren Fischschwarm.
[1] Hannah Arendt: Vita activa oder Vom tätigen Leben. 8. Auflage, München 1967, S.66.
Auch ich, die ich Teil dieses Massendiskurses bin, habe nicht die Kraft zu trennen und zu verbinden. Ich selbst bin in Behandlung: Vera in Behandlung. Ich bin Teil des Fischschwarms: Vera im Fischschwarm. Mittendrin. Auf die Frage, wie ich mich also selbst in den vielzähligen Gemeinschaften sehe, weiß ich nicht wirklich eine Antwort. Denn in dem Versuch bewusst durch Behandlungsräume zu schreiten, in dem Bemühen mich willentlich der Kollektivbildung zu entziehen, in dem Bestreben jeglicher Ansteckungsgefahr zu trotzen, werde ich automatisch zu einem Teil derjenigen, die all das auch versuchen. Vielleicht bin ich jetzt Mitglied der „Wir“-Kritiker. Zumindest aber gehöre ich zur Gemeinschaft der Blogger, die für Diskurse wie diesen Aufmerksamkeit wecken und Bewusstsein schaffen wollen. Hinzu kommt, dass ich erst im Nachhinein feststelle, ob und – in Ansätzen – wie eine Zuschreibung von außen auf mich wirkt respektive gewirkt hat.
Ich kann mich nicht abtrennen, um objektive Schlussfolgerungen zu liefern und ich kann mich auch nicht mit Gliedern anderer Ketten verbinden, um tatsächliche Sinnzusammenhänge zu untersuchen. Meine Gedanken, meine Themen, mein Schreiben sind zumindest in Teilen durchdrungen von Wert- und Vorurteilen.
Ich habe Angst, dass wir alle irgendwann „massig“ sind – breiig, eintönig und knetbar. Dass die Vermassung der Welt entwurzelt und alle gleich und verlassen macht. Dann ist die Welt nur noch Teig-braun.
Zuversicht hingegen empfinde ich, wenn ich an meine unaufhörliche Fragerei in den letzten Wochen denke. Im „Fragen stellen“ sehe ich zumindest einen Lösungsansatz. Denn indem wir uns unseres Verstandes bedienen, indem wir uns intuitiv von unserer Neugier packen lassen, zeigen wir meiner Meinung nach Mut zum freien Denken. Unser Denken wird dabei zu einem kritisch-reflexiven Akt. Es geht, wie Hannah Arendt einst ihr Buch betitelte, um „Denken ohne Geländer“. Solange wir Menschen aber als funktionierende Glieder oder Instrumente eines Überorganismus – wie den der Masse – unhinterfragt und bedenkenlos handeln, kann sich die Vernunft selbst nicht durchsichtig werden.
An dieser Stelle also noch einmal mein Apell: Mut zum freien Denken!
Beim Denken ein Geländer hier und eine Schranke dort zu passieren und neue Denkwege einzuschlagen – auch wenn diese durch Denktraditionen und Gestrüpp erschwert scheinen – ist meines Erachtens wahnsinnig aufregend. Und mit ein wenig Übung und Überzeugung gelingt es uns vielleicht tatsächlich die einen oder anderen Wert- und Vorurteile zu vergessen, die uns am Denken hindern.
Und letztmöglich sind wir bunte, individuelle Fische in einem noch farbenreicheren Fischschwarm.
[1] Hannah Arendt: Vita activa oder Vom tätigen Leben. 8. Auflage, München 1967, S.66.
Veritas veritas - 27. Feb, 23:11